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Life is too short for boring stories

Fenella kam nun jeden Tag, um mit Tinka spazieren zu gehen. Edgar war sehr dankbar dafür, denn er merkte, dass er körperlich immer schwächer wurde. Aber nicht nur das, Fenella half ihm auch im Laden aus, so dass sie immer mehr Teil seines Lebens wurde, auch wenn es sich bisher nur um einige Tage handelte. An diesem Morgen war Fanella tief in Gedanken versunken, als die den Laden betrat. Doch als Tinka sie begrüßen kam, konnte sie nicht anders, als sich zu freuen.
„Edgar“, rief sie den Mann, mit dem sie inzwischen per Du war, als sie ihn nicht gleich entdeckte.
„Guten Morgen, Fenella“, kam eine schwache Stimme aus der Teeecke, wo er vor dem Kamin saß, „Setz Dich doch zu mir. Ist was passiert?“
„Guten Morgen“, begrüßte ihn das junge Mädchen, als sie sich in den Fauteuil gegenüber fallen ließ, „Ich weiß es nicht genau, aber ich habe heute einen Brief bekommen …“
„Zur Testamentseröffnung von Inge, also Fr. Dr. Wächter“, vollendete Edgar den Satz, „Ja, den habe ich auch bekommen und ich frage mich, warum wir hinbestellt werden. Ich hoffe nur, sie nehmen uns Tinka nicht weg.“
„Dann gehen wir gemeinsam hin“, meinte Fenella erleichtert.

Einige Tage später sah man einen alten Mann, ein junges Mädchen und einen lebensfrohen Hund die Kanzlei des Notars betreten, der die Testamentseröffnung vornehmen sollte. Sie hatten kaum die Türe geschlossen, als eine unangenehme, wiewohl bekannte Stimme durch das Zimmer hallte.
„Was tun denn die hier?“, scholl es ihnen entgegen.
„Wir haben eine Einladung bekommen“, erklärte Edgar ruhig, der sich sicher war, dass sie es mit der Tochter von Inge Wächter zu tun hatten, auch wenn er die Stimme nur vom Telefon kannte. Süffisant setzte er hinzu, „Und was machen Sie hier?“

„Unerhört ist das, giftete sie zurück, „Ich habe bei der Verlesung hier zu sein. Schließlich war es meine Mutter, aber ihr seid sicher nur Schmarotzer. Womit Sie sie wohl eingewickelt haben, Sie, Sie Kramer.“ Schon bei den ersten Worten hatte sich Tinka mit eingezogenem Schwanz hinter Fenella versteckt. Tinka wusste genau, wer es gut mit ihr meinte und wer nicht. „Und dann auch noch der Köter“, kam es prompt, „Herr Notar, der gehört nicht hierher, der gehört vor die Türe.“
„Wer hierhergehört und wer nicht, habe noch immer ich in meinen Räumlichkeiten zu bestimmen“, sagte der Notar, der bis jetzt ruhig hinter seinem Schreibtisch gesessen hatte, um sich den Neuankömmlingen zuzuwenden, „Gestatten, Dr. Rolf Riberitsch, Notar und Freund von Fr. Dr. Wächter und ich nehme an, Sie sind Edgar Barfuß und Fenella Farquhar.“
„Ja, die sind wir“, bestätigte Edgar, „Und natürlich Tinka.“
„Das ist gut, dass sie mitgekommen ist, denn sie spielt eine wichtige Rolle“, erklärte der Notar, „Ich schlage vor, wir gehen gleich in medias res. Wenn Sie Platz nehmen wollen.“ Als sich alle gesetzt hatten, Tinka sicherheitshalber immer noch hinter Fenellas Beinen versteckt, zog der Notar ein Papier aus einem Umschlag und begann zu lesen: ‚Testament. Ich, Inge Wächter, im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, treffe folgende Bestimmungen für den Fall meines Ablebens. Liebe Jasmina! Auch wenn Du meine Tochter bist, gibt es nicht viel, was uns verbindet. Ich denke, es gibt sogar mehr, was uns trennt, was jetzt keine Rolle mehr spielt. Ich weiß auf jeden Fall, dass Du Tinka nicht mochtest, so dass ich überzeugt bin, dass Du ohne Probleme zustimmst, wenn ich Dich bitte zu bestätigen, dass Du kein Problem damit hast, dass Tinka an Edgar Barfuß und Fenella Farquhar geht, die sich immer liebevoll kümmerten.‘“ An dieser Stelle hielt der Notar inne und sah die Angesprochene an, „Würden Sie dem zustimmen?“
„Aber unbedingt“, ließ sich die Tochter vernehmen, „Diesen Köter soll haben wer will. Widerlich!“
„Gut, dann unterschreiben Sie hier. Dann erst kann ich fortfahren“, forderte der Notar. Freudig kam Jasmina dieser Bitte nach.
„Es geht wie folgt weiter. ‚Nachdem dies klargestellt ist, vermache ich meinen ganzen übrigen Besitz den Menschen, die sich als herzlich und hilfsbereit erwiesen haben, die die Tinka aufnahmen. Dazu zählen das Haus und der Grund, auf dem es steht, samt Inventar und allen monetären Mitteln, die nach Abzug aller Unkosten noch vorhanden sind. Tröste Dich, Jasmina, Du bist immerhin gut verheiratet.‘ Sind Sie bereit das Erbe anzunehmen?“, wandte sich der Notar an Edgar und Fenella, während er die Flüche und Verwünschungen der Tochter ignorierte.
„Was für eine Wendung des Schicksals“, meinte Edgar, als sie den Weg zum Krimskramsladen antraten. Letztlich war er einfach nur froh, dass Tinka bei ihnen bleiben durfte.

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