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Life is too short for boring stories

Vorgeplänkel

 

„Das war wohl der beste Sex meines Lebens“, dachte ich, während ich rücklings bei Dir lag, den Kopf auf Deine Brust gebettet.

„Das sagst Du jedes Mal“, entgegnetest Du lächelnd, auch wenn ich das Lächeln nur aus Deiner Stimme hörte, da ich Dich nicht sehen konnte, während Deine Hand über meinen Bauch strich.

„Hatte ich das tatsächlich gesagt?“, schoss es mir durch den Kopf, „Dabei hatte ich gedacht, ich hätte es nur gedacht.“

Kurz hielt ich mit Denken inne, was – nebenbei bemerkt – keine leichte Übung ist, denn wenn ich gerade sonst nichts tun kann, dann denke ich. Deshalb passiert es automatisch, auch in Situationen, in denen das Denken überhaupt nichts verloren hätte, eigentlich. Es funkt mir in den ungünstigsten Momenten immer wieder dazwischen. Und wenn ich daran denke nichts zu denken, dann fällt mir sofort ein Satz „Suddenly last summer, I started going out of my head“ aus dem Song „August&September“ von The The ein, und schon bin ich mitten drinnen, im Denken, aber völlig außen vor bei dem Moment, in dem ich eigentlich bleiben wollte. Wie beim Sex. Denken steht hier dem Fühlen im Weg und damit der Erfüllung. So vieles geht einer Frau durch den Kopf. Wie sie aussieht und was jetzt zu tun sei, als wenn Sex etwas wäre, was man nach Drehbuch abzuspielen hatte. Vieles wird den kleinen Mädchen beigebracht. Da ist so vieles, das sie sich selbst und ihrem Körper entfremdet. Es prägt sich ein und bleibt. Außer das große Mädchen, die erwachsene Frau hat das Glück einen geduldigen, einfühlsamen Lehrmeister zu finden, dem es gelingt sie sich selbst und ihren Körper als etwas zu erfahren, das zu ihr gehört. Von selbst scheint da gar nichts zu gehen. Oder sie kommt einfach nicht auf den Gedanken. Dabei wäre es so einfach.

 

Ich hörte keine Erwiderung Deinerseits. Das konnte nur bedeuten, dass ich das, wovon ich gedacht hatte, ich hätte es nur gedacht und nicht ausgesprochen, tatsächlich nur gedacht und nicht ausgesprochen hatte. Das beruhigte mich, ein wenig, zumal es doch möglich schien meine Zunge ein wenig im Zaum zu halten, zumindest was das Sprechen betraf. Bei anderen Gelegenheiten, bei denen die Zunge ebenfalls eine große Rolle spielt, hielt ich mich weniger zurück. Und das war auch gut so.

 

„Und Du hast natürlich jedes Mal recht“, erklärtest Du, mitten hinein in meine Überlegungen, mit diesem zufriedenen, brummenden Unterton. Ich musste mich einfach zu Dir umdrehen. Du lagst, mit geschlossenen Augen und einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen – ich hatte es tatsächlich richtig gehört – auf dem Rücken, als hättest Du ein großes Werk vollbracht. Was für eine Ironie eigentlich, und doch auch etwas, das selbstverständlich sein sollte. Zufrieden wie ein Wickelkind mit vollem Bauch und trockener Windel. Vielleicht ist doch was dran, wenn man und auch Mann behauptet, dass man das Herz eines solchen erobert, indem Frau nackt kommt und was zu essen mitbringt. Der Vergleich ist zumindest einer, der wenig hinkt.

„Du bist offenbar sehr zufrieden mit Dir und der Welt“, erwiderte ich lächelnd.

„Die Welt ist mir im Augenblick ziemlich egal“, meintest Du lakonisch, „Aber mit mir bin ich sehr zufrieden. Wie auch nicht, wenn ich Dich so glücklich machen kann.“

 

Als wenn Du was dafür könntest. Natürlich, Du warst daran beteiligt, nicht einmal Unwesentlich, aber die Grundlagen für die Freiheit mich völlig fallen zu lassen, was unbedingt notwendig ist, wenn man wirklich genießen will, die war schon vorher gegeben. Wenn ich jetzt meinen aufmerksamen Blick weg von Deinen Lippen über Deine Schultern, die Brust, den Bauch, die Schenkel und Dein Geschlecht, das sich gleich einem kleinen Vöglein in sein Nest eingekuschelt hatte, wandern lasse, so tue ich es, weil ich es kann. Dabei ist schauen grundsätzlich nicht so schwierig, Früher hätte ich wohl den Blick schamhaft abgewendet, denn es gehört sich nicht, diese Offenheit im Blick. Nicht dass jemand gekommen wäre, der dem kleinen Mädchen sagte, Augen weg, aber zumindest wird es ihm vermittelt. Dasselbe gilt für den eigenen Körper. Noch dazu ruht das Nest für das Vögelchen bei den Frauen im Verborgenen, über dem frau schamhaft die Beine zu verschließen, übereinanderzuschlagen und am besten noch zwei Mal zu umwickeln hat. Nein, es wird nicht gesagt, aber es wird erwartet. Wie sehr sich frau doch einschränken lässt, ohne es auch nur zu hinterfragen. Doch ich hatte es geschafft und die Fesseln abgeworfen. Während ich den Blick weiterschweifen ließ, dem meine Hand folgte, weil mir gefiel was ich sah, weil sich gut anfühlte, was ich spürte, lagst Du und ließt mich gewähren. Einfach so. So einfach. Da begann das Verlangen in mir aufzusteigen mich nochmals in Dir zu verlieren. Vielleicht sollte ich versuchen das kleine Vögelchen in seinem Nest wach zu küssen, es ermutigen zu wachsen und sich zu entfalten. Nein, nicht versuchen, machen. Einfach so. So einfach.

 

Einfach klingt es. Einfach ist es. Und doch war es nicht immer so. Erst nachdem ich eine folgenschwere Entscheidung getroffen hatte, die mein Leben auf den Kopf stellte. Dabei sollte man meinen, dass es etwas ist, was nur die Essgewohnheiten betrifft, doch es stellte sich heraus, dass es weit mehr ist als bloß das. Doch das muss ich von Anfang an erzählen.

 

(Was die Ich-Erzählerin zu sagen hat, erfahrt ihr im gleichnamigen Buch, Erscheinungsdatum: 01.05.2017)

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