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Das Picknick

Eine letzte Überprüfung. Es ist alles da, was wir brauchen, für das, was ich vorhabe. Dann verstaue ich den Korb im Auto. Gut, dass es Dir nicht auffällt. Wie sollte es auch, bei all den Sachen, die wir mitnehmen müssen. Bloß einen Tag unterwegs zu sein. Am nächsten wird es wieder zurückgehen. Ein arbeitsamer Tag. Es wird spät. Wir haben keine Eile, am nächsten Morgen.

„Wollen wir unterwegs stehenbleiben und was Frühstücken?“, fragst Du mich.

„Auf jeden Fall“, gebe ich zurück. Beim Fahren lasse ich den Blick über die Umgebung schweifen. Endlich finde ich eine Stelle, die mir geeignet scheint für meine Zwecke, so dass ich Dich bitte stehenzubleiben. Am Rande einer Wiese stellst Du das Auto ab.

„Was wollen wir hier?“, fragst Du mich.

„Wirst schon sehen“, antworte ich kryptisch, „Steig einfach aus.“ Anstandslos tust Du es. Wahrscheinlich auch, weil Du neugierig bist und weißt, dass es gut sein kann, was ich vorhabe. Voller Vorfreude hole ich den Korb aus dem Auto, breite die Decke aus und beginne die Dinge, die ich vorbereitet habe, auszubreiten.

„Was für eine tolle Idee, ein Picknick“, meinst Du, und es klingt tatsächlich nach freudigem Überrascht-sein, „Ich habe tatsächlich nicht bemerkt.“

„Das war auch so geplant“, gebe ich zurück, während ich Dich zum Sitzen nötige. Die Sonne scheint. Der Sommer ist bereits im Ausklang begriffen, aber der Herbst noch nicht wirklich da. Ich streiche Dir ein Brot und reiche es Dir. Du beißt hinein. Dann lachst Du mich an. Ich freue mich. Auch darüber, dass mir diese Überraschung gelungen ist. Dann nimmst Du mich in den Arm und küsst mich. Wir lachen und scherzen. Ein bisschen wie Kinder, die ihrer Freude Ausdruck verleihen. Autos fahren vorbei. Wir merken es nicht. Irgendwann müssen wir doch fahren. Die Pflicht ruft. Ich packe zusammen. Leere Verpackungen und eine unantastbare Erinnerung.

 

Einige Wochen später. Der Herbst ist vorbeigegangen. Unbemerkt ist das Ende. Erst als der Winter abrupt einzieht, fällt es auf. Viel war zu tun, ist getan worden und ist zu tun. Mitten in der Nacht komme ich nach Hause. Abgespannt und ausgehungert. Ich möchte nur noch raus aus der Kälte, in die Wärme und ins Bett. Du wirst schon schlafen, denke ich. Sollte ich noch was essen? Ich beschließe doch lieber gleich ins Bett zu gehen, ganz leise, um Dich nicht zu wecken. Doch als ich ins Haus komme, umfängt mich eine wohlige Wärme, eine spezielle, die nur eines bedeuten kann. Verwundert gehe ich hinein. Du hast tatsächlich den Kamin eingeheizt. Die Feuer prasselt lustig vor sich hin und verbreitet diese spezielle Atmosphäre, die nur von einem lebendigen Feuer ausgehen kann. Du sitzt davor. Die Picknickdecke liegt auf dem Boden vor dem Kamin. Nach unserem Frühstück im Grünen hatte ich sie gewaschen und wieder weggeräumt. Sie würde erst wieder in vielen Monaten zum Einsatz kommen, dachte ich damals, wenn überhaupt. Es ergibt sich zu selten, so eine Gelegenheit. Meistens sind wir alleine unterwegs. Doch nun hast Du sie offenbar hervorgesucht und vor dem Kamin platziert. Erwartungsvoll sitzt Du darauf und streckst mir einladend die Hand entgegen. Wollte ich nicht eigentlich ins Bett? Mit einem Mal spüre ich weder Müdigkeit noch Abgespanntheit, sondern nur die Herzlichkeit Deiner Einladung, so dass ich mich zu Dir setze. Du könntest im Bett sein, jetzt, aber Du bist hier, weil Du mir was Gutes tun wolltest, einfach so.

 

Und so schließt sich der Kreis vom Sommer über den Herbst zum Winter. Der Frühling wird kommen. Mit Gewissheit. Meteorologisch ebenso wie im Leben. Es nimmt seinen Lauf. Ab und an werden wir uns überraschen. Mit einem Picknick oder etwas anderem. Es spielt keine Rolle was es ist. Nur da zu sein und sich die Momente, die wir haben, angenehm zu gestalten. So lange wir können und die Möglichkeit haben, so dass die Schwere und all das Belastende, das es auch gibt und uns begleitet, von uns abfällt, für eine gewisse Zeit, für die Zeit, die wir uns abzwacken, Momente des stillen Einverständnisses und der gemeinsamen Freude. Undramatisch und unspektakulär. Ich denke daran, wenn ich müde bin. Eine Oase des Rückzugs und des Energietankens, auch noch in der Erinnerung. Ganz besonders in der Erinnerung. So finden wir immer wieder zum Eigentlichen zurück. Und zu uns.

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