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Life is too short for boring stories

Meine Gedanken ziehen weiter. Sie lassen mich nicht zur Ruhe kommen und bringen mich unerbittlich an einen Ort, an den ich tatsächlich nicht mehr zurückkehren wollte, niemals. Doch ich habe die Führung abgegeben und muss mich ihrem Willen überantworten, der wohl auch meiner ist, aber dem ich bis jetzt so erfolgreich Einhalt geboten hatte. Ich höre mich lachen. Das ist das erste was in dieser Erinnerung auftaucht, bevor das Bild klar wird. Es ist ein sanftes, von Herzen kommendes Lachen. Dann sehe ich, dass ich neben Dir sitze. Ein warmer Sommertag, an dem wir an einer einsamen Stelle neben einem Bach, unsere Decke ausgebreitet haben. Das vorbereitete Picknick ist noch im Korb verstaut. Wir tragen Badekleidung. Wir sind in ein Gespräch vertieft. Wenige Menschen sind mir je begegnet, auf die ich mich so rückhaltlos einlassen konnte, auf sie und damit auf das Gespräch, so dass alles um mich versank und ich nur da war, im Moment, im Sein, mit Dir. Irgendwann schlugst Du vor, dass wir ins Wasser gingen. Du standst auf und reichtest mir lächelnd die Hand, mir aufzuhelfen und sie auch nicht mehr loszulassen, als wir vorsichtig die ersten Schritte in den Bach setzten, vorsichtig, um nicht auf den glitschigen Steinen auszurutschen.

Es geschah, trotz aller Vorsicht, dass ich strauchelte und drohte hinzufallen, doch Du fingst mich auf, hieltst mich, mit Deinem starken Arm und ich schloss die Augen, für einen Moment, denn es tat gut, gehalten zu werden. An einem Tag war es so und am anderen nicht mehr. Nur der Augenblick, in dem Du mich gehalten hattest, bleibt als meine Gedanken zurückkehren, in das Hier und Jetzt. Als wüssten sie, dass es genug wäre. Was nicht verloren geht, nicht verloren gehen kann, sind die Wärme und die Zuversicht und das Lachen. Damals war es so und es hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt, so dass ich es spüre, als wäre es gerade jetzt passiert, als würde es gerade sein. Dann warst Du gegangen, von mir, aus meinem Leben und ich hatte gewünscht, so sehr, zunächst, dass Du wiederkämst. Der Schmerz der Verlorenheit hatte mich gänzlich eingenommen. Es war mir, als wäre mir ein Teil meiner Selbst weggenommen worden, der durch nichts und niemanden ersetzt werden könnte. Ich hatte gewartet, auf Dich, während ich ganz normal weitergelebt hatte. Im Nachhinein scheint es so einfach, aber es war, wie ich mich nun wieder zu erinnern wage, ein ständiger Kampf gegen diese abgrundtiefe Traurigkeit. Mit wem hätte ich reden können, so wie ich es mit Dir gekonnt hatte? Mit wem hätte ich lachen können, so wie ich es mit Dir gekonnt hatte? Und vor allem, mit wem hätte ich mich so sicher gefühlt, auch im Schweigen, so wie ich mich mit Dir sicher gefühlt hatte? Wie lange das nun wohl her war? Auch schon etliche Jahre. Der Schmerz hatte nachgelassen, mit der Zeit. Ich lenkte mich ab, mit Verrichtungen und Verpflichtungen. Es ist leichter, wenn man organisiert ist und sich durchringen kann, aufraffen und weiterleben. Darum ging es, im ersten Moment, irgendwie weiterzuleben. Die Erinnerung verblasste und mit ihr der Schmerz, aber auf diesem Weg, war mir auch die Sehnsucht abhandengekommen. Wann war das geschehen? Wann war mir die Sehnsucht verloren gegangen?

Und mit einem Mal erscheint mir mein Leben, das so straff und durchorganisiert und perfekt ist, nur mehr stumpf und öd und leer, ohne diese Sehnsucht. Diese Sterilität, die keinen Schmerz zulässt, keine Traurigkeit oder sonstige Abwege, verschließt sich aber auch dem Lachen und dem Glück und dem Versunkensein im Moment, in dem alles eins ist, verhindert ein Ankommen und Bleiben. Deshalb lasse ich meine Liste Liste sein, schließe den Laptop und die Türe hinter mir. Irgendwo wird es mich hintragen, womöglich auch dorthin, wo ich meine verlorene Sehnsucht wiederfinde.

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