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Life is too short for boring stories

Den Blick stur auf das Navigationsgerät in seiner Hand gerichtet, stolperte er durch den mittlerweile stockfinsteren Wald. Zum Glück hatte er daran gedacht seine Stirnlampe einzupacken, sonst wäre er hier wohl hoffnungslos verloren gewesen. Nein, er hatte nicht vorgehabt sich noch in der Nacht im Wald zu befinden. Schließlich war Juni und die Tage lang. Eigentlich hatte er vorgehabt, beim Anbruch der Dunkelheit wieder im Dorf zu sein, doch er konnte die Suche auch nicht abbrechen. Zwei seiner Freunde waren vor einigen Wochen in diesen Wäldern Wandern gewesen und nie mehr zurückgekehrt. Natürlich wurde ein großer Suchtrupp losgeschickt, doch er kehrte unverrichteter Dinge wieder zurück. Es war als wären sie vom Erdboden verschluckt worden. Sie hätten sich wahrscheinlich nur abgesetzt, meinte der leitende Beamte mit einem Augenzwinkern. Doch er konnte das nicht glauben.

Beide Freunde führten ein zufriedenes, geordnetes Leben, waren glücklich verheiratet und hatten Kinder, die sie liebten. Sie hatten sich etwas aufgebaut, wie man so schön sagt, ein Leben eingerichtet. Er war überzeugt davon, dass sie das nicht einfach alles hinter sich lassen würden. Da musste etwas passiert sein. Dessen war er sich sicher. Alle anderen hatten aufgegeben, hatten diese beiden Männer mir nichts Dir nichts mit einem Schulterzucken aufgegeben. Doch er konnte das nicht. Er wollte wissen was da passiert war. So hatte er sich entschlossen aufgemacht der Sache auf den Grund zu gehen. Am frühen Morgen war er angekommen, in diesem kleinen Dorf, dessen Namen er sich nicht merkte, am Rande des Waldes. Das Dorf schien aus nichts weiter als einer Kirche, einem Wirtshaus und einer Handvoll Häuser zu bestehen. Was einen nur antreiben konnte hierher zu kommen. Aber ab und zu musste sich doch jemand hierher verirren, denn das Wirtshaus verfügte über mehrere Fremdenzimmer. Darin fand sich nichts weiter als ein Bett, ein Kasten und eine Waschgelegenheit, aber er hatte nicht die Absicht lange zu bleiben. Bloß eine Nacht. Er war so überzeugt davon, dass ihm gelingen würde, worin alle anderen versagt hatten, dass er nur diese eine Nacht buchte, um dann sofort aufzubrechen. Die Route, die die beiden gegangen waren, war annähernd die gleiche, so dass er dieser mit dem Navigationsgerät in der Hand, nur zu folgen brauchte. Alles war abgespeichert. Zunächst war der Weg breit und eben. Holzarbeiter mit ihren großen Maschinen hatten diesen Weg gebahnt, nahm er an, doch nach einigen Stunden wurde aus dem breiten Weg ein schmaler, und auch dieser verlor sich, so dass er sich am späten Nachmittag zwischen Bäumen und Büschen hindurch kämpfte. Immer unwegsamer und unzugänglicher wurde der Wald, immer dichter und verwirrender, doch er ging weiter, immer der Vorgabe auf seinem Gerät folgend. Es war mittlerweile stockfinster geworden. Er stolperte über Wurzeln und Äste, zerriss sich Haut und Kleider an Dornen, doch er ging weiter. So nahe war er dem Ziel. Jetzt konnte er einfach nicht umkehren. Die Nacht war kalt, aber er spürte es nicht. Langsam ließen seine Kräfte nach. Er hatte wohl daran gedacht sich etwas zu trinken einzupacken, aber zu Essen hatte er nichts dabei. Schließlich war er der Meinung gewesen, es würde nicht lange dauern. Da endlich lichtete sich der Wald und er erreichte eine Wiese, auf der tatsächlich ein Haus stand. Mit letzten Kräften stolperte er darauf zu, um dann auf der Stiege, die zur Eingangstüre führte, zusammenzubrechen. Da fühlte er sich gehoben, in die Hütte gebracht und auf ein Bett gelegt. Als er noch einmal die Augen öffnete, sah er eine zarte, weibliche Gestalt, die sich über ihn beugte und ihm wie ein Engel erschien. „Du musst jetzt schlafen“, hörte er sie sanft sagen, und so machte er beruhigt die Augen zu. Morgen würde er weiter suchen, dachte er noch, bevor er in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel. Für diese Nacht war er gerettet und gut aufgehoben.

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2 Gedanken zu “Vergeltung (1)

  1. oma99 sagt:

    Ups, da muß ich wohl immer in den falschen Wäldern unterwegs sein – so ist es mir jedenfalls noch nie ergangen… Bin gespannt, was aus den Vermissten geworden ist!

    1. novels4utoo sagt:

      Nun, ich schicke gleich vorweg, es ist keine Kindergeschichte. Vielleicht ein wenig gruselig

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