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Life is too short for boring stories

Frauen haben es schwer. Davon bin nicht nur ich überzeugt. Zumindest haben sie es schwerer als Männer, vor allem dann, wenn sie sich um die Verhüllung ihrer Beine zu kümmern haben. Männer ziehen Socken an und eine Hose darüber. Damit sind sie so weit salonfähig. Diese Kleidungsstücke sind weder schwierig anzuziehen, noch sind sie besonders empfindlich. Demgegenüber hat sich die Damenwelt mit allerlei Tücken herumzuschlagen. Nun ich gebe zu, sie müsste nicht. Ich stehe aber dazu, dass ich es schlicht schön finde, meine Beine, wenn ich ein Kleid oder einen Rock trage, mit hauchfeinem Nylon zu umgeben. Man kann das als durchaus dekadent bezeichnen und ich stimme diesem Urteil vorbehaltlos zu. Aber diese kleine Dekadenz gönne ich mir und habe dementsprechend auch mit den Folgen zu kämpfen.

Des Weiteren muss ich gestehen, dass ich, was diese Art der Beinkleidung betrifft, den Strümpfen den Vorzug geben, und nicht einmal jenen, die sich halterlos nennen, sondern solchen, die mit einem sog. Strumpfbandhalter getragen werden. Strumpfhosen, von denen ich unumwunden zugeben muss, dass sie am praktischsten wären, lehne ich generell ab. Natürlich haben sie unbestreitbare Vorteile. Sie halten das Popotschi und andere kälteempfindliche weibliche Körperteile warm, erinnern aber zu sehr an Strampelhöschen. Deshalb legte ich mir an jenen Abend, an dem ich nicht nur auszugehen, sondern auch eine besonders gute Figur zu machen gedachte, den Strumpfbandgürtel an und klemmte, unter vielerlei Flüchen die Strümpfe an den dafür vorgesehenen Stellen fest. Endlich konnte ich mich im Spiegel bewundern, als mir einfiel, dass ich einen Nagel zu feilen hatte, der mir eingerissen war und nun spröde weg stand. Während ich nach der Nagelfeile griff, kratzte ich mich gedankenverloren am linken Bein, mit der linken Hand, mitsamt eingerissenem Fingernagel, der sich auch prompt im hauchfeinen Gewebe verhakte, sich nur unter Mühen daraus lösen ließ und mir anschließend das Schauspiel einer laufenden Masche vorführte. Nun könnte man meinen, ich hätte diesen einen Strumpf einfach ausziehen und einen anderen anziehen können. Das ist nämlich der unbestreitbare Vorteil von Strümpfen. Hat einer eine Laufmasche, muss man nur den einen wegschmeißen. Doch zu meinem Leidwesen verfügte ich über kein komplettes Paar mehr. Deshalb blieb mir keine Wahl, als die zweitbeste Option zu ergreifen, nämlich die halterlosen Strümpfe. Zu meiner Beruhigung befanden sich noch zwei Paar im Kasten. Ich zog sie mir also über die Beine, bis sie die gewünschte, vorgesehene Stellung einnahmen, um mir dann sofort wieder zu entgleiten. Lose hingen sie um meine Knöchel. Da fiel mir siedend heiß ein, dass ich mir, ganz ausnahmsweise, die Beine eingeschmiert hatte. Auf der eingecremten Haut jedoch, kann die zarte Klebefläche nicht halten. Dilettantisch wie eine Anfängerin, hatte ich mich verhalten. Die konnte ich also ebenfalls vergessen. Aber ich hatte noch ein Paar. Bevor ich sie überstreifte, rubbelte ich die Haut trocken, sowohl die auf den Beinen, als auch auf meinen Händen. Dann wagte ich es. Das letzte Paar. Da durfte nichts mehr schiefgehen. Ich überzeugte mich noch einmal, das meine Haut auch wirklich staubtrocken und mein Nagel ordnungsgemäß gefeilt war, so dass kein Hängenbleiben und kein Abrutschen mehr möglich war. Sicherheitshalber zog ich mir sogar die Glacéhandschuhe über, die mir dereinst eine wohlgeschulte Verkäuferin ans Herz und in den Einkaufskorb gelegt hatte. Endlich hatte ich es geschafft, die Strümpfe friktionsfrei auf meinen Schenkeln angemessen zu verteilen. Die Garderobe wurde vervollständigt und ich war bereit das Haus zu verlassen. Mein Hund stand im Vorzimmer, um sich von mir zu verabschieden. Jovial ging ich in die Knie und kraulte ihn hinter den Ohren, während er freundlich und freundschaftlich seine Pfote, mitsamt scharfen, ungefeilten Krallen aufs Knie legte. Nun konnten wir gemeinsam zusehen, wie die Masche über mein Knie bis zum Knöchel lief. Wortlos zog ich mich ins Badezimmer zurück und um. Ich beschloss, mein Misslingen über ein gutes Buch zu vergessen und nahm mir vor ab nun mindestens 5 Paar Strümpfe im Haus zu haben. Irgendwann musste es ja klappen.

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