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Life is too short for boring stories

Ich sitze am Strand. Die Wellen brechen sich glitzernd im Sonnenlicht. Der Sand rieselt zwischen meinen Zehen, wenn ich sie bewege. Es ist noch Frühling. Ich bin alleine. Immer wieder blicke ich übers Meer. So weit der Blick reicht. Das Bild baut sich auf und ab. Mein schwarzer Spaniel läuft dem sich zurückziehenden Wasser hinterher und wenn es näher kommt, dreht er sich um und läuft zurück. Es ist lange her, dass er bei mir war. Er ist da, weil sich die Erinnerung manifestiert. Es geht nichts verloren, was ich nicht verloren gebe, bleibt, wie das Meer für immer zu bleiben scheint. Da nehme ich eine Bewegung aus den Augenwinkeln wahr. Meine Großmutter hat sich auf einen Stuhl gesetzt. Schön, dass Du da bist, denke ich. Du hast mich nie alleingelassen. Ich muss es nicht sagen, sie hört mich auch so. Es ist ein schöner Tag. Mein Spaniel und meine Großmutter. Sie sind da, aber auf eine Weise, dass sie keine Spuren mehr hinterlassen, nicht im Sand, aber in mir. Du bleibst, wenn Du mich berührt hast.

Wieder lasse ich meinen Blick über das Wasser schweifen. Das Bild verschwindet und baut sich auf. Ein Schiff erscheint am Horizont. Es ist da, wenn ich es nicht sehe. Nur, dass es für mich ein Meer ohne Schiff ist, so lange ich es nicht sehe. Es taucht auf. Und wieder unter. Es ist im Grunde gleichgültig. Dann ist mein Spaniel weg. Und auch der Stuhl ist verschwunden, auf dem meine Großmutter saß. Irritiert blicke ich mich um. Sie kommen und gehen. Sobald Ruhe in mir einkehrt und sie meinen, es ist gut, wenn sie da sind, gut für mich, dann kommen sie. Auch wenn sie nie wirklich gehen. So kann ich sie nicht mehr anlächeln. Mit der Unruhe gehen sie oder wenn etwas anderes meine Aufmerksamkeit einfordert. Ich horche in mich hinein. Da ist keine Unruhe, nicht an einem Tag am Strand, einem schönen Tag.

Ich blicke mich um. Deswegen und auch aus anderen Gründen. Ich sehe einen Menschen auf mich zukommen, einen, der Spuren hinterlässt, zumindest im Sand. Jetzt, da ich ihn sehe, ist er da. Er kommt näher, langsam und ziellos. Er bleibt ab und an stehen, wenn eine Welle so nahe kommt, dass sie über seine Füße rollt. Er lässt sie. Dann geht er weiter. Bis er zu mir gelangt ist. Ungefragt setzt er sich neben mich, in den Sand. Kurz sehe ich ihn an. Dann wieder aufs Meer. Es ist ein schöner Tag am Strand, meint er. Und ich nicke.

„Seit undenklichen Zeiten ist alles“, beginnt er und er ist mir sympathisch, ein bisschen, weil er das Herumgerede lässt und beim Wesentlichen bleibt, „Das Meer und der Himmel und die Sonne.“

„Seit undenklichen Zeiten nehmen wir wahr und deshalb wird es für uns zu einer Erfahrung“, entgegne ich, „Alles was Du sagtest. Und auch das Schiff, das da ist, wenn ich es sehe und nicht da ist, wenn ich es nicht sehe. Nicht für mich.“ Damit sind die Fronten geklärt.

„Ich verstehe“, sagt er, völlig grundlos, weil wir wissen, dass wir verstanden haben, aber ich will es ihm verzeihen, wird doch so vieles gesagt, was völlig klar ist, aber um die Unklarheiten drücken wir uns im Allgemeinen.

„Es ist die Unveränderlichkeit, die Verlässlichkeit, die mich hierherkommen lässt“, erklärt er weiter, „So wie ich es bei Menschen schätze, dass sie bleiben, was sie sind.“

„Ein Mensch ist, indem er wird. Es gibt keine Unveränderlichkeit und darin finde ich die Verlässlichkeit, in der Kontinuität der Entwicklung. Indem wir Erfahrungen sammeln und sie integrieren in die bisherigen“, halte ich entgegen, „Nach diesem Tag am Strand, werde ich ein wenig eine andere sein, als ich es am Tag zuvor war.“

„Ich will Menschen, die bleiben wie sie sind“, meint er.

„Ich verstehe“, sage diesmal ich. Deshalb steht er auf und geht. Dann tobt wieder mein Hund im Sand und meine Großmutter nimmt wieder Platz. Die Ruhe kehrt ein und die Sonne schickt sich an unterzugehen. Ich lächle sie an. Es ist ein schöner Tag am Strand.

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