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Life is too short for boring stories

Versonnen saß ich im Lehnstuhl im Wintergarten unseres Hauses, einen der seltenen Momente der Stille und Ruhe genießend und mich sogar des Lebens freuend, da sich wieder jener Tag in meine Gedanken stahl, der mein ganzes Leben verändern sollte, der Tag, an dem ich die Frau meiner Träume kennenlernte. Mehr noch, die Frau meiner ungeträumten Träume, denn niemals hätte ich es für möglich, nicht einem für träumbar gehalten, dass solch ein Wesen auf Erden wandeln sollte. Dabei sind mir im Laufe meiner beinahe drei Jahrzehnte Lebenszeit, viele überaus ansehnliche Frauen über den Weg gelaufen. Manche von den edelsten haben sich mir sprichwörtlich an den Hals geworfen, da ich, groß und gutgebaut, mit dunklem Haar und ebensolchen Augen, einem Adonis nicht unähnlich bin. Oder er mir. Darüber hinaus war ich erfolgreich, stand aber erst am Anfang meiner Karriere. Der einzige Makel, der das Gesamtbild trübte, war mein Name. Ich heiße nämlich Kaspar, was schon zu dem einen oder anderen vulgären Witz herhalten musste. Die Damen störte das zum Glück nie. An jenem Tag hatte ich just ein besonders lukratives Geschäft abgeschlossen und befand mich gedankenverloren auf dem Weg nach Hause, noch im Zweifel darüber, wie dieses Ereignis gebührend gefeiert werden konnte. Da klingelte mein Telefon.

„Hallo Balthasar“, begrüßte ich meinen allerbesten Freund, „Was gibt’s?“

„Hallo Kaspar“, entgegneter er meinen Gruß, um sofort zu seinem Anliegen zu kommen, „Hör mal, ich habe ein Problem. Einer meiner wichtigsten Klienten hat mich zu einer Soiree geladen. So wichtig er fürs Geschäft ist, so unmöglich ist er als Mensch. Dennoch muss ich hingehen. Du verstehst das doch?“

„Klar verstehe ich das“, bestätigte ich, „Aber was hat das mit mir zu tun?“

„Ich darf jemanden mitnehmen, und da dachte ich an Dich. Dann wird es trotz allem lustig“, antwortete er kurz und bündig. Und so trafen wir uns zwei Stunden später beim Haus seines Klienten.

Ungefähr 15 Menschen bevölkerten das ausladende Esszimmer, standen in Gruppen herum und führten gedämpfte Gespräche. Eine sehr merkwürdige Stimmung, die in diesem Zimmer herrschte. Man kam sich eher wie bei einer Beerdigung vor, denn bei einer Soiree, aber meine gute Laune ließ ich mir nicht nehmen. Schon alleine deshalb, weil ich Balthasar aufbauen musste. Ich war sein Fels in der Brandung. Da betrat der Gastgeber das Zimmer, worauf mich Balthasar hinwies. Ein Mann, groß und breit wie ein Bär, mit einem dichten Vollbart und ebensolchen Augenbrauen. Vor lauter Haaren im Gesicht und auf dem Kopf, war kaum etwas von seinem Gesicht zu erkennen. Dennoch wusste ich sofort was mein Freund gemeint hatte, als er davon sprach, wie unmöglich er als Mensch sei.

„Er heißt übrigens Mandl, Melchior Mandl“, flüsterte mir Balthasar zu.

„Jetzt sind wir endlich vollständig, Kaspar, Balthasar und Melchior“, gab ich ebenso leise zurück, wobei ich hart daran dagegen ankämpfte, nicht in lautes Lachen auszubrechen. Doch nur einen Moment später, verging mir ganz von selbst das Lachen. Mehr noch, es verschlug mir die Sprache und brachte mich um den Verstand, denn die Türe wurde ein weiteres Mal geöffnet, und sie betrat den Raum. Nein, es als zu betreten bezeichnen wäre entwürdigend einem solch überirdischen Geschöpf gegenüber. Sie schwebte engelgleich in den Raum. Sofort verstummten sämtliche Gespräche und aller Augen waren auf sie gerichtet. Alles um mich verschwand und es war mir, als würde nur mehr sie auf der Welt existieren. Ihr blondes Haar wogte über ihre schmalen Schultern, die sanften blauen Augen waren niedergeschlagen, wie die eines scheuen Rehes, mitten in einem ebenmäßigen Gesicht, das auf einem schlanken Hals saß. Zierlich war ihr Körperbau, wie feinstes chinesisches Porzellan, gekrönt von makellosen, großen, runden Brüsten. Ich schäme mich nicht, es einzugestehen, ich war ihr verfallen, von diesem ersten Moment an. Für immer würde sie von nun an in meinem Herzen und meinen Gedanken wohnen, die Frau meiner ungeträumten Träume, ein Engel, der vom Himmel herabgestiegen war und sich in die Tiefen der menschlichen Abgestumpftheit verirrt hatte. Was für eine Verirrung. Für einen Augenblick nur hob sie die langbewimperten Lider und ihr Blick traf mich. Und wie er mich traf. Balthasar musste mich halten, sonst wäre ich womöglich in Ohnmacht gefallen.

„Reiß Dich zusammen!“, raunte er mir unmissverständlich zu, „Das ist die Frau meines Klienten, Elisabetta Mandl.“

„Elisabetta“, ließ ich den schönsten aller Namen auf meiner Zunge zergehen, bevor mir bewusst wurde, was Balthasar gesagt hatte. Diese wunderbarste aller Frauen, dieser Engel war mit diesem abscheulichen Biest verheiratet. Was für ein Schicksal.

Hier gehts zum Teil 2

Aus: Alles ganz normal. Geschichten aus dem Leben

6 Gedanken zu “Die Frau meiner Träume (1)

  1. siegelbruch sagt:

    Also Kaspar, möchtest du wissen, warum die Biester immer das beste Schicksal haben, so solltest du dich im meinem Geschlechter-Klärungsblog, aufmerksam, hineingraben.
    Blog: http://upvs.wordpress.com
    Wie du dort siehst, weil ich geistig logisch denke bin ich auch leider kein Biest, welches einfach an sich reißt, was jeder gern genießt.

      1. novels4utoo sagt:

        Und wie 😉

    1. novels4utoo sagt:

      Mach ich doch glatt 😉

  2. Das ist wirklich eine schöne Geschichte. Freue mich schon darauf mehr zu hören.

    LG
    Miss Katherine White
    Work – Life – Balance
    http://www.miss-katherine-white.com

    1. novels4utoo sagt:

      Das freut mich sehr.
      Sonnige Grüße, Daniela

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