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Life is too short for boring stories

Nie fangen wir wirklich ganz von vorne an. Immer steigen wir in ein Bisher ein. Wenn wir geboren werden, so in eine fertige Situation, und vom ersten Moment an werden Erwartungen an uns gestellt, je nach Umfeld, je nach Familie. Natürlich ist es gut so, ein Umfeld zu haben und eine Familie, die diese stellen kann. Wie viele Babys werden vom ersten Tag an aufgegeben? Doch die meisten von uns stehen in einem Umfeld von Erwartung, so wie ich. Es ist fertig. Natürlich sind sie schon, diese Erwartungen, und erweiternd und belebend, Erwartungen an die Gesundheit und das Glück und das Fortkommen.

„Ich möchte, dass Du gesund bleibst, mein Kind“ oder „Ich wünsche mir, dass Du Dein Glück findest, mein Kind“ oder „Ich möchte, dass Du Dein Leben so führst, wie Du es für Dich für richtig hältst“, also die gesunden Erwartungen, an denen man auch wirklich wachsen, in die man hineinwachsen kann, doch das wird meist abgetan, als etwas, was sich sowieso von selbst verstünde. Als wenn man darüber überhaupt noch reden müsse. Selbstverständlich und unausgesprochen, und wenn dann nur zu ganz besonderen Gelegenheiten. So wie man zum ersten Mal zu erfahren scheint, dass das Leben durch den Tod beendet wird, wenn er geschieht, keinen Moment vorher wird darüber nachgedacht. „Niemand von uns lebt ewig. Jeder von uns muss sterben.“ Natürlich wissen wir es, und dennoch konzentrieren wir uns auf Nichtigkeiten und Belanglosigkeiten. Irgendwann spielt das alles keine Rolle mehr, aber so lange es noch nicht so weit ist, lassen wir den Unwichtigkeiten und Nebensächlichkeiten immer mehr Raum in unserem Leben, stellen Erwartungen auf, die weder gesund noch zielführend sind, und sehen es doch als ungeheuer wichtig an. Fraglos werden sie weitergegeben, von Generation zu Generation. Schließlich wollen wir ja, dass es unseren Kindern besser geht, aber was heißt besser? Geht es uns denn so schlecht? Warum schauen wir nicht darauf, dass es uns besser geht, so dass unsere Kinder in einer Atmosphäre des Besser-geht’s aufwachsen dürfen, doch da kommt wieder der Umkehrschluss. Ein wenig was müssen sie schon auch erleiden, denn es soll ihnen ja auch nicht gleich besser gehen, sondern erst später.

Erwartungen, wie ihr Leben auszusehen hat, welche Schule sie zu besuchen haben, welchen Beruf zu ergreifen haben, und am besten noch die private Lebenssituation, alles vorgegeben, gemäß den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Mann muss Mann sein und sich so benehmen, Frau muss Frau bleiben und sich so benehmen. Und sich keinen Bart wachsen lassen. Sich nicht präsentieren wie sie will oder wie er will. Ist doch ekelhaft. Voller Verständnis, Toleranz und Aufgeschlossenheit sind wir, aber nur bis zu einer gewissen, genau definierten Grenze, die an unserer Nasenspitze angesetzt ist. Standesdünkel? Puh, wir doch nicht, aber dennoch sollte sich mein Kind mit denen dort nicht abgeben, das kann nicht gut sein. Man muss schon wissen wohin man gehört, auch ohne Standesdünkel. Nicht, dass diese Erwartungen bedingungslos erfüllt werden müssten, schließlich bekommt das Kind doch die freie Wahl, den Erwartungen zu entsprechen oder geächtet zu werden, aber Freiheit gibt es, ohne zuhören, ohne nachdenken, ohne Kompromisse.

„Löffel Du mal die Suppe, die Du Dir einbrockst“, und man möchte nicht löffeln, sondern doch lieber ein drittes eisernes Band um das Herz, noch mehr eingeschnürt. Nicht hören, nicht sehen und vor allem nicht denken. „Ich will die, die ich liebe, und die mich lieben, nicht enttäuschen“, dachte ich, während ich das Band ganz ganz fest zog, und so war ich gewappnet für die Welt dort draußen, angepasst und den Erwartungen entsprechend, denn schließlich trug ich Verantwortung, nicht einfach als ich selbst, sondern als Bindeglied zwischen den Generationen. Man darf sich da nicht zu wichtig nehmen, denn das einzelne Leben zählt nur als solches, den Weg zu ebnen von der einen Generation zur nächsten, ja der Weg zu sehen, doch wer bitte schön geht dann auf diesem Weg, gepflastert aus Märtyrern der Selbstverleugnung. Wahrscheinlich von den selbst erwählten Erleuchteten. Doch das ist eine andere Geschichte.

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3 Gedanken zu “Die drei eisernen Bande (3): Verpflichtungen

  1. molefran sagt:

    Insgesamt: Ein Klasse Spiegel! Reinschauen tut weh.

    1. novels4utoo sagt:

      Ich denke aber, wenn man über das erste Reinschauen hinwegkommt, dann tun sich Möglichkeiten auf, die man sonst nicht wahrgenommen hätte.

      1. molefran sagt:

        Stimmt!

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