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Life is too short for boring stories

„Ich habe darauf verzichtet zu gendern, weißt Du, in meinem Buch“, erklärte mir letztens eine Bekannte, „Wegen der Lesbarkeit, wäre es.“

„Natürlich, wegen der Lesbarkeit“, entgegnete ich nachdenklich, „Aber Sprache, auch die geschriebene ist immer auch Gewohnheitssache. Wenn wir die gegenderte Form immer und überall haben, wenn wir sie lesen und in unseren Alltagsdialog einfließen lassen, wird es uns irgendwann stören, wenn sie nicht mehr da ist.“

„So ein Unsinn“, antwortete meine Bekannte mit einem leichten Abwinken, „Das haben wir so lange nicht gebraucht, jetzt ist es auch nicht notwendig. Das ist nur das Bedürfnis mancher Feministinnen sich wichtig zu machen und ein Problem aus etwas zu machen, wo es keines gibt. Ich z.B. weiß mich auch ohne gendern zu behaupten und stehe voll im Leben und werde gesehen.“

Nun sie ist durchaus nicht alleine mit ihrer Meinung, doch wiederum schlägt das kurzsichtige Denken durch, das scheuklappengeführte Leben, das so viele mit Eifer verteidigen, auch um sich selbst aus der Verantwortung nehmen zu können.

Zunächst einmal ist Sprache weder einfach noch praktikabel. Sprache ist ein Vehikel, ein Krückstock, mit dem wir versuchen uns mitzuteilen. Deshalb wird sie auch nicht einfacher, wenn wir das Gendern weglassen. Lesbarkeit ist sowieso kein Kriterium, denn wenn ich einen Sachverhalt darstelle oder darzustellen versuche, der komplex ist, wird es auch das Weglassen des Genderns nicht vereinfachen. Dass die Sprache nicht einfach ist und allemal eine Quelle der Missverständnisse, zeigt sich im täglichen Umgang miteinander. Gerade zwischen Mann und Frau. Stelle ich mich durch das Weglassen des Genderns auch noch dezidiert in die zweite Reihe, darf ich mich auch nicht wundern, dass ich so behandelt werde.

Sprache schafft Wirklichkeit, und sei es nur die Bilder in unserem Kopf. Wenn ich von einer Gruppe Studenten spreche, dann sehe ich eine Gruppe männlicher Studenten. Nehme ich allerdings die Form Student*innen habe ich ein ganz anderes Bild im Kopf. Und jenen, die meinen, in der Form Studenten sind die Frauen sowieso mitgemeint, dem möchte ich entgegenhalten, na dann verwende ich ab nun nur mehr Studentinnen, weil da sind die männlichen Exemplare eh auch mitgemeint. Ein Denkansatz, der einiges für sich hat, nur mehr die weibliche Form zu verwenden. Denn es ist eh alles andere dazwischen darin enthalten. Wäre doch mal eine Überlegung wert. Da wäre dann die angepeilte, sog. Vereinfachung der Sprache wiedergegeben.

Grundsätzlich jedoch gilt es meinen Geschlechtsgenossinnen zu vermitteln, dass sie sich endlich nicht mehr in die zweite Reihe stellen lassen dürfen, gerade nicht durch die Sprache, die unser täglich Brot ist, als es mir endlich wie Schuppen von den Augen fällt. Vielleicht haben sie es tatsächlich nicht verstanden, aber sie haben auch kein Problem damit in der zweiten Reihe zu stehen. Ja, sie treten gerne einen Schritt zurück. Natürlich würden sie es nie zugeben, aber was muss man zugeben, was doch so offensichtlich ist. Sie wollen in der zweiten Reihe stehen.

Die zweite Reihe ist sehr praktisch. Frau kann schmollen und querulieren und trotzig sein, aber es steht immer einer vor ihr, der die Verantwortung dafür übernimmt.

„Ich mag auch drankommen“, tönt es da verstimmt aus eben jener zweiten Reihe, „Warum darf die und ich nicht?“ Spricht man sie auf diesen Wunsch an, dann versteckt sie sich hinter dem notwendigen männlichen Begleiter, denn ohne geht ja nicht, weil sonst hätte man keine zweite Reihe, und meint, dass man doch nichts gesagt hätte. Mit der unausgesprochenen Aufforderung, dass doch gefälligst der männliche Seitenteil sich für sie einzusetzen hat.

Der Verzicht aufs Gendern, so dieser von weiblicher Seite kommt, bedeutet also nichts weiter als die Verweigerung der Verantwortung für das eigene Leben, den Wohlfühlfaktor im Motzen und Schmollen und der Rückzug auf relevante Themen wie abgebrochene Fingernägel oder den Jammer über das neue Putzmittel. Frau tut damit nicht mehr und nicht weniger, als dass sie zugibt, sich über die Rolle des trotzigen, kleinen Kindes nicht hinausentwickelt zu haben. Aber keine Sorge, es wird sich immer ein passender Mann finden, der gerne den Platz in der ersten Reihe einnimmt und sich als Beschützer aufspielt. So haben alle gewonnen. Dass es so ist, ist nicht wirklich das Problem. Es wäre nur an der Zeit es zuzugeben oder offen auszusprechen, dass frau gerne in der zweiten Reihe der Verantwortungslosen steht.

Aus: Weibliche Ohn-machten

6 Gedanken zu “Die Verantwortungslosen in der zweiten Reihe

  1. molefran sagt:

    Hhmm … verstehe ich zwar, aber bezweifle, dass das wirklich so einfach ist.

    1. novels4utoo sagt:

      Wie meinst Du, was ist nicht so einfach?

  2. *smile* so herrlich deutlich und so wunderbar provokant – ich bin auf die Reaktionen gespannt – egal von welcher Seite. Danke für diesen schönen Text.

    1. novels4utoo sagt:

      Vielen Dank. Es ist sehr schade, dass viele es immer noch nicht begriffen haben. Aber ja, da bin ich auch gespannt.

  3. Chapeau, sehr schön auf den Punkt gebracht. Ich sehe (als Mann) zwar nicht, dass nicht gendern das jeweils andere Geschlecht in die zweite Reihe stellt. Kann es aber nachvoll ziehen.

    1. novels4utoo sagt:

      Es geht in erster Linie um die Bilder im Kopf. Sprache setzt Wirklichkeit. Das gilt nicht nur hier, sondern in vielen Bereichen, in denen wir Dinge besser darstellen wollen, als sie sind. Ein Beispiel. Der Ärztekongress, heißt für mich, dass ich viele, viele Männer sehe, die sich sehr wichtig unterhalten und die neuesten Errungenschaften der Forschung diskutieren. In meinem Bild ist keine Frau. Spreche ich aber von Ärzt*innenkongress, ändert sich mein Bild.

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