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Life is too short for boring stories

Und mein Herz flog, mit den Winden des Nordens, des Südens, des Westens und des Ostens und spürte das Leid auf, wo und in welcher Form auch immer es sich fand. Es würde sich verlieren, zersplittern in Milliarden Teile, dachte ich, angesichts des Leids, dass sich in Milliarden fand. 144.000.000.000 Leidende. Wie soll ein Herz das ertragen? Wie soll es heil bleiben und sich nicht in kleinste Mikroteile zerlegen? Doch es kam zurück, voller Flicken. Jedes Leid, hatte sich eingebrannt. Eine Narbe für das Leid. Ein Flicken zum Verbinden. Herzflicken flicken Herzflecken. Es war verwundet worden, jedes Mal. Es war verarztet worden, jedes Mal, denn die Liebe war es, die es sehen ließ und berührbar machte und heilte. Was sollte eine Liebe, die nur berührbar macht, aber nicht heilt? Was sollte eine Liebe, die nur weint und nicht tröstet? Was sollte eine Liebe, die nur jammert und nicht fordert? Aber es war noch nicht vollendet, so dass ich abermals ausholte und es in die Fluten des Meeres warf.

„Mögest Du mit den Wellen schwimmen, den Wellen des Nordens, des Südens, des Westens und des Ostens“, dachte ich ihm hinterher und sah, wie es von einer Welle erfasst wurde und durch das Wasser tauchte, in alle Winkel, in alle Tiefe und Höhlen, in alle Breiten und Längen, „Schwimme und schau sie Dir an diese Meere, Herz!“ Das war mein Auftrag und meine Belastung. Es würde ertrinken, verloren gehen und nicht wiederkommen. Vielleicht konnte es jemand brauchen.“

 

Und mein Herz schwamm, mit den Wellen des Nordens, des Südens, des Westens und des Ostens und spürte die Leblosigkeit auf, am Abgrund, in den tiefsten Tiefen, ein Massengrab der Zivilisation. Plastik sind die Leichen und dazwischen die Leere. Das Salz brannte in den frischen Wunden, die geschlagen, niemals ganz verheilen. Geschlagen und verbunden, eingebrannt und gesalbt. Es ist immer neu und beständig anders. Aber es kehrte zu mir zurück. Keine Spur von Zersplitterung oder Auflösung. Es war gewachsen. Flickenschicht auf Flickenschicht. Es passte nicht mehr in meine Brust, auch, weil es da nicht mehr hinwollte. Es war nicht der richtige Platz. Nicht mehr, nach all dem, was es gesehen und erfahren hatte, da ich es sehen und erfahren ließ und nicht mehr verschloss, aus Angst, ich könnte es verlieren. In der Brust, nicht einmal in der Mitte des Körpers, eher im oberen Drittel. Ganz oben der Kopf. Der die Richtung vorgibt. Der sagt wo es langgeht. Nüchtern, beherrscht und logisch. Sollte das die Herrschaft sein, die ich wollte? Ganz unten die Füße, die mich tragen. Boten-, Sklavendienste. Und irgendwo dazwischen das Herz, irgendwo zwischen Herrschaft und Sklave. Nun, da waren die Hände, die Arme, die tatkräftigen, ungefähr auf derselben Höhe. Herz mit Tatkraft. Doch was sollte es sein, Tatkraft ohne Überblick? War das nicht blinder Aktionismus, selbst wenn er mit Empathie gefüllt war? Doch vor allem, wollte ich dem Kopf allein die Herrschaft überlassen, über mein Leben, mein Tun, mein Gehen, mein Lieben? Sollte die reine, pure, kalte Rationalität die Aufsicht übernehmen, Taten angeben und leiten und überwachen? Kühle, berechnende, kalkulierende Verstandesmacht im Angesicht des Lebens? Jetzt, da mein Herz all das Leid gesehen hatte und es mir berichtete, eines ums andere und ich nicht mehr aufhören konnte zu weinen. Tränen, die flossen, so lange welche da waren. Bis sie versiegten. Sie hätten niemals versiegen dürfen. Weil das Leid niemals versiegt. Niemals. Niemals. Niemals. Doch mit tränenbenetzten Augen sieht man nicht. Sie machen Dich blind. Deshalb ist es auch gut, wenn sie versiegen, auch angesichts des Leides, oder gerade angesichts des Leides, denn es gibt kein Angesicht, wenn die Augen ihren Dienst nicht tun können. Und auch sie werden gesteuert vom Kopf, in dem sie sitzen. Doch wo hätte mein Herz seinen Platz, wenn nicht in meiner Brust, wo es zuvor geschlagen hatte, wenn nicht dort, wo dann? Es musste ein Platz gefunden werden, der sich vertrug, auch mit der Liebe, die nicht herrscht, angesichts der Empathie, die vertrocknet, wenn der Kopf sie beherrscht, doch wo konnte der Platz sein, da sich die Herrschaft ausgleicht und weder kalt ist noch sich überhitzt? Gab es solch einen Platz, in einem System der Herrschaft, der Ober- und Unterordnung? Und so lag mein Herz vor mir, mit all den Milliarden Flicken und ich wusste nicht wohin mit ihm.

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2 Gedanken zu “Liebe ist Anarchie (2): Herzflecken flicken

  1. Wachse.
    Lerne aus dem, was Dein Herz aushalten muss und verändere etwas.
    Wenn Du so wächst, dann passt Dein Herz immer wieder auf’s Neue dort hinein, wo es hingehört:
    In Deine Brust.

    Guten Morgen, ich denke an Dich!

    1. novels4utoo sagt:

      Es hat schon seinen Grund, warum ich schreibe, das es keinen Platz hat – aber das wird erst im dritten Teil aufgelöst. Ja, man wächst – wenn man es zulässt. Wünsch Dir einen tollen Tag, und umarme Dich!

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