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Life is too short for boring stories

Ich bin immer noch eingekuschelt in Deine Arme, während die Hunde ruhig neben uns liegen. Weil sie keine andere Wahl haben. Natürlich, ich biete ihnen eine trockene, warme Unterkunft, genug zu essen, medizinische Versorgung und genügend Bewegung. Zumindest, was ich als genügend sehe. Aber im Grunde entscheide ich über sie, ihr ganzes Leben lang. Ich entscheide, wann es Zeit ist zu fressen, spazieren zu gehen oder Ruhe zu geben. Nichts dürfen sie selbst entscheiden. Letztendlich behandle ich sie wie Kinder, die es für immer bleiben. Und dafür sollen sie mich lieben?

Unsere domestizierten Mitgeschöpfe sind Meister der Anpassung. Klaglos nehmen sie hin was ich für sie entscheide. Es scheint, als wäre es weder besser noch schlechter als irgendeine andere Entscheidung. Sie leben ihr Leben mit aller Intensität, die ihnen möglich sind. Springen um mich, wenn ich mich anziehe und die Leinen nehme, womit sie wissen, dass es Zeit ist für einen Spaziergang. Sind hellwach und aufmerksam, wenn ich die Futterschüsseln nehme, um sie zu füllen. Es ist die beste aller Möglichkeiten für sie, die sie nutzen. Ich erkenne etwas, was wir Menschen nur sehr selten können. Tag um Tag, Moment um Moment in aller Einfachheit und Klarheit zu leben. Das ist auch der Grund, warum so viele Haustiere misshandelt werden. Es ist der Neid des Menschen auf dieses Können, im Leben zu sein und zu bleiben, bis zum letzten Moment. Damit geben sie uns mehr, als wir ihnen je geben könnten. Einen Fixpunkt im Leben. Treue bis in den Tod. Sie sind da, mit aller Selbstverständlichkeit, verraten uns nicht und wollen uns nichts Böses. Wir missbrauchen sie auch in der Weise, als wir sie als Ersatz für menschliche Bezugspartner verwenden. Sie liebten uns angeblich bedingungslos, nennen wir es. Dabei ist es keine Bedingungslosigkeit, sondern eine Abwesenheit von Wahlmöglichkeiten. Und wer keine Wahl hat, kann sich nicht für die Liebe entscheiden, denn eine der Grundvoraussetzungen der Liebe ist die Freiheit. Ich habe diese Freiheit, sie nicht. Ist es trotzdem Liebe, eine ihrer reichen Facetten? Es ist die einseitige, vereinnahmende und der Autonomie beraubende. Auch so kann Liebe aussehen. Oder ist das Wort dann falsch.

 

Vereinnahmung geschieht nicht nur bei unseren nicht-menschlichen Mitgeschöpfen. Wir praktizieren sie auch bei Kindern, Partnern oder wer auch immer in der Situation ist, keine Wahl zu haben. Überall treffen wir auf sie. Voraussetzung, dass es funktioniert ist, dass dem Unterlegenen, Vereinnahmten und Unterdrückten der Wille gebrochen wird. Da kennen wir ausnahmsweise keinen Speziesismus. Das ist auch der Grund, warum so viele gebrochene, abhängige, gefügige Geschöpfe in unserer Gesellschaft sind. Weil wir Abhängigkeit und Anhänglichkeit mit Liebe titulieren und meinen das Beste zu tun. Was bis zu einem gewissen Grad auch stimmt, denn der, der beherrscht tut auf jeden Fall das Beste für sich selbst. Aber Liebe ist es nicht. Nicht die kleinste Spur. Desto schwerer wiegt meine Verantwortung ihnen gegenüber. Es wäre natürlich töricht zu meinen, ich könnte ihnen die Freiheit geben, denn sie haben sie nie gelernt und würden sie auch nicht mehr wollen. Ich habe vor Jahren eine Entscheidung für sie getroffen, die ich nun tragen muss und will. Wenn sie schon kein autonomes Leben führen dürfen und können, dann haben sie es sich zumindest verdient ein würde- und respektvolles zu führen, in dem ihnen zumindest das Stück Freiheit, das für ein domestiziertes nicht-menschliches Geschöpf innerhalb einer zivilisationsdegenerierten Menschenwelt möglich ist, zu geben. Das ist das Mindeste und eigentlich das Einzige, was ich ihnen zurückgeben kann.

 

Ich schlüpfe aus Deinen Armen, lächle Dich an. Die Gefahr mich zu verlieren ist vorüber.

„Was wäre mit einem Spaziergang?“, schlage ich Dir vor.

„Im Wald?“, fragst Du.

„Ja, im Wald“, bestätige ich, „Uns zu erden und die letzten Strahlen der untergehenden Sonne zu genießen.“

„Super Idee“, meinst Du, und während ich hinausgehe um mir die Schuhe anzuziehen, springen zwei aufgeregte Vierbeiner um mich herum. Ich habe sie nicht gefragt ob sie wollen. Sie werden nie gefragt, aber sie sind dennoch voller Vorfreude, weil es für die beste aller Möglichkeiten ist, auch sich zu freuen.

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2 Gedanken zu “Liebe hat viele Facetten (3)

  1. Nadine Hoffmann-Voigt sagt:

    Danke,
    Du schreibst hier, was ich fühle und denke.
    Grüße bitte Deine Kinder und besonders auch Juna und Bakari von mir,

    1. novels4utoo sagt:

      Das freut mich sehr. Mache ich sehr gerne. Alles Liebe

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