novels4u.com

Life is too short for boring stories

„Jetzt ist das auch schon abgelaufen“, tönt Deine an sich wohlklingende Stimme durch die Küche, viel lauter als notwendig, wo ich doch ganz in Deiner Nähe bin, „Sag mal schaust Du überhaupt nicht, wenn Du einkaufen gehst.“

„Was meinst Du?“, frage ich, auch um ein wenig Zeit zu gewinnen, weil mich Dein Angriff doch ein wenig irritiert, zumal ich gerade über die wichtigste Frage des Tages nachdenke, was man heute kochen könnte, wobei ich in Gedanken den Inhalt des Kühlschranks und sonstiger Vorratsschränke durchgehe, „Was ist abgelaufen?“

„Der Aufstrich, den ich gerade jetzt zum Frühstück essen wollte“, meinst Du und platzierst ihn dabei so in meinem Blickfeld, dass ich ihn nicht übersehen kann. Betrifft also eindeutig nicht meine Kochpläne, wie auch immer diese aussehen werden. Dann nehme ich die Packung in die Hand und mustere die Beschriftung ausgiebig, bis ich endlich das Datum finde, ab dem er ungenießbar sein soll, wahrscheinlich sogar tödlich. Du stehst, mit vor der Brust verschränkten Armen, daneben und wirst zusehends ungeduldiger.

„Der wievielte ist denn heute?“, frage ich, weil es mir partout nicht einfallen will. Mit dem aktuellen Datum habe ich es nicht so.

„Heute ist der 18.“, erklärst Du mir.

„Und der Aufstrich hält laut Aufschrift bis am 17.“, gebe ich zurück.

„Siehst Du, er ist abgelaufen!“, erwiderst Du, beinahe triumphierend, „Gib es zu, Du hast gemeint, dass ich das nicht sehe.“

„Aber das Ablaufdatum ist doch nur eine ungefähre Angabe. Der kann durchaus noch mehrere Tage halten. Das weiß doch wohl jeder“, sage ich, nun doch auch ein wenig ungeduldig.

„Du meinst so wie unsere Beziehung“, gibst Du schnippisch zurück. Ich finde es immer wieder erstaunlich was für Kapriolen Deine Gedanken schlagen. Vom leckeren Grünkernaufstrich zu unserer Beziehung. Eigentlich spannend.

„Also, wenn Du meinst, dass Du ihn nicht mehr essen kannst, dann esse ich ihn“, erkläre ich, denn der Gedanke an den Genuss lenkt meine Aufmerksamkeit auf meinen stets ungebrochenen Appetit.

„Du gibst es also zu?“, fragst Du weiter, ohne auch nur im Geringsten Notiz von dem zu nehmen, was ich gerade sagte.

„Ich gebe gar nichts zu. Nicht ohne meinen Anwalt“, erkläre ich, in der Hoffnung, dass Du Dich zu einem Lächeln durchringen kannst, aber das Gegenteil ist der Fall. Du wirst doch glatt wütend.

„Du nimmst mich nicht ernst!“, braust Du auf, „Nicht einmal jetzt.“

„Was meinst Du, nicht einmal jetzt?“, versuche ich zu klären, endlich, was Du denn nun meinst.

„Ich rede von unserer Beziehung, und Du von dem verdammten Aufstrich“, sagst Du, was mir nun auch nicht wirklich viel weiterhilft.

„Und warum reden wir jetzt von unserer Beziehung. Ich dachte, es ginge um den Aufstrich?“, ist es nun an mir wieder irritiert zu sein.

„Der Aufstrich hat ein Ablaufdatum, und unsere Beziehung auch“, sagst Du.

„Eine Beziehung ist also in Deinen Augen wie ein Aufstrich?“, hake ich nach.

„Nein, das habe ich nicht gesagt, aber beides hat ein Ablaufdatum, ein Aufstrich und eine Beziehung. Nur weil sie eine Gemeinsamkeit haben, sind sie deshalb nicht gleich“, erklärst Du.

„Und wo ist das Ablaufdatum aufgedruckt?“, frage ich nun nach. Weil ich es wissen will. Und weil Du mir Angst machst. Ein bisschen zumindest.

„Es ist nirgends abgedruckt und es gibt dafür auch keine Richtlinien“, erklärst Du, und gibst dabei zu erkennen, dass Du etwas weißt, was mir bisher verborgen blieb.

„Und woran erkennt man es dann? Oder woher weißt Du das?“, fahre ich fort, um zu verstehen.

„Daran, wie man miteinander umgeht“, sagst Du ausweichend.

„Also, wenn man Aufstriche mit abgelaufenem Ablaufdatum in den Kühlschrank stellt, ist das ein Hinweis auf das abgelaufene Ablaufdatum der Beziehung?“, versuche ich eine Ordnung in das Gesagte zu bringen.

„Du machst es Dir schon wieder sehr einfach. So wie immer“, erklärst Du, „Aber ich sage Dir jetzt was das Ablaufdatum unserer Beziehung ist, das, das auf dem Aufstrich steht.“ Und das ist der Moment, da ich Dich an den Händen nehme und zu mir ziehe.

„Das Ablaufdatum auf dem Aufstrich ist eine Richtlinie. Es können ein paar Tage mehr sein, aber es ist Realität“, erkläre ich, „Vielleicht hat auch unsere Beziehung ein Ablaufdatum. Man weiß das nie so genau, aber wann das ist, das liegt in unserer Hand. Es ist, was wir daraus machen, können oder wollen. Es liegt ganz alleine an uns.“ Und weil Du Dich in meine Arme schmiegst, denke ich, es könnte sein, dass es noch nicht festgeschrieben ist, das Ablaufdatum unserer Beziehung. Schließlich ist sie wirklich kein Aufstrich.

Noch mehr rund um das Thema Liebe

Geschichten über die Liebe und andere Absonderlichkeiten

Lebensbilder

Zweisprache

***


Entdecke mehr von novels4u.com

Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

3 Gedanken zu “Die Sache mit dem Ablaufdatum

  1. Interessante Gedanken … und man könnte noch weiterspinnen – über das Ablaufdatum einer Beziehung 🙂 Auf jeden Fall ist es schonmal gut, dass es kein sichtbar aufgedrucktes Datum gibt und dass uns die Hoffnung bleibt, sie – die Beziehung – ‚läuft‘ gut weiter, vielleicht sogar unverdorben bis ans Lebensende. 🙂
    Liebe Grüße
    Rosa

    1. novels4utoo sagt:

      Ja, ich denke tatsächlich, es ist, was wir daraus machen.

    2. novels4utoo sagt:

      Das weiterspinnen freut mich. Liebe Grüße, Daniela

Kommentar verfassen