novels4u.com

Life is too short for boring stories

Sarah und Jonas Wegener hatten mich nach Hause begleitet, bis vor die Haustüre hatten sie mich gebracht bevor sie sich von mir verabschiedeten, damit ich sie am nächsten Tag an eben jener Stelle wieder begrüßen konnte. Ich hatte Tee und Kuchen vorbereitet, das Feuer brannte im Kamin, als das Ehepaar eintrat.

 

Während der nächsten Tage durfte ich viel Zeit mit den beiden verbringen, lernte sie kennen, doch noch mehr von ihrer Beziehung. Es lag eine besondere Verbindung zwischen den beiden, etwas, das ich nicht ganz enträtseln konnte. Sie erlebten unterschiedlich, doch es gelang die Verschiedenheit zu einem gemeinsamen Bild zusammenzusetzen, nicht zu integrieren, indem eine Facette ausgelöscht wurde, sondern nebeneinander bestehen zu lassen, gleichberechtigt. Was ich erleben durfte war eine Erweiterung, gerade weil beide ihre je eigene Persönlichkeit leben durften. Ja, sie hatten auch Differenzen, Meinungsverschiedenheiten, und doch belastete es das Band zwischen ihnen nicht. Es war wie ein Stein, der im Weg lag, und den sie gemeinsam bei Seite schoben um wieder zueinander zu finden.

Harmonie, so fand ich heraus, war nicht eine Frage der Symbiose, der Gleichschaltung, sondern eine des Willens aneinander zu wachsen und zu werden. Immer mehr trat diese Art des Miteinander in den Mittelpunkt meines Denkens, immer weiter entfernten sich meine Gedanken von Barnabas, bis ich ihn eines Tages in einem kleinen Abstellraum wiederfand. Ich konnte mich gar nicht daran erinnern ihn dort abgelegt zu haben.

 

„Nein, Du tust mir nicht gut“, sagte ich zu ihm, nachdem ich ihn mit Münzen gefüttert hatte, „Du mit Deiner bloßen Spiegelung meiner selbst. Du bist nichts weiter als mein narzisstischer Widerpart, die Personifizierung meines Solipsismus.“

„War das nicht genau das, was Du wolltest, jemanden, der Dich festigt und lobt und Dir Honig ums Maul schmiert, der Dich unterstützt und alles mitmachst was Du willst?“, fragte er gerade heraus.

„Ja, wahrscheinlich war es das, was mich zu Anfang so faszinierte. Wie unsicher und haltlos ich doch gewesen sein muss, in jener Zeit, echte Beziehungen verweigernd, weil ich meinte, dass die Auseinandersetzung schmerzt“, erwiderte ich.

„Aber das tut sie doch auch. Menschen kommen, Menschen gehen, und sie tun Dir weh, brechen Dir das Herz. Ich mache das nicht. Ich bleibe bei Dir, für immer und ewig“, versuchte er mir zu schmeicheln, doch es klang beinahe wie eine Drohung. Kalt lief es mir den Rücken hinunter, wenn ich daran dachte, dass ich tatsächlich der Meinung war, dass es mich auf Dauer glücklich machen könnte mit meinem Spiegelbild zu leben.

„Du machst mir Angst“, entgegnete ich bekümmert, „Wenn so meine Zukunft aussieht, so wäre es doch wohl besser gewesen, ich hätte mich von den Felsen ins Meer gestürzt.“

„Ach, das darfst Du nicht so sehen. Denk doch an die vielen glücklichen Stunden, die wir miteinander verbracht haben. Das wird immer so weiter gehen. Für immer werden wir glücklich miteinander sein“, fuhr er fort, „Für immer werden wir zusammen sein. Du wirst mich nicht mehr los.“ Und sein Ton war nicht mehr nett, nicht mehr freundlich, sondern scharf und schneidend. Aber in wenigen Sekunden musste die Münze aufgebraucht sein und er würde endlich den Mund halten. Doch da musste ich mit Schrecken beobachten, dass er eine Münze aus seiner Tasche zog und sie sich einwarf.

„Du wirst mit mir glücklich sein, ob Du willst oder nicht, und wenn wir beide dabei untergehen“, drohte er mir nun offen.

„Ich kann aber mit Dir nicht mehr glücklich sein“, versuchte ich zu erklären, „Denn das Glück, das wahre, lebendige Glück, kann es nur zwischen zwei gleichberechtigten, selbständigen, eigenständigen Menschen geben. Du bist bloß eine Puppe. Ich habe es kennengelernt.“

Und da war das Messer in seiner Hand. Langsam stand er auf und ging auf mich zu. Instinktiv wich ich vor ihm zurück, doch wohin konnte ich fliehen, wo mich verstecken?

Lesestoff für Liebhaber*innen von Mystischem und Skurrilem

Schattenraben

Anonym

***

2 Gedanken zu “Coin operated Boy (Teil 18): Was Glück sein kann

  1. Nadine Hoffmann-Voigt sagt:

    uuuih, „Spiegelung meiner selbst“? irgendwie schon immer noch, doch auch eine eigene Fortentwicklung der Puppe… dazu kommt jetzt dann wohl auch eine massive Geldgeilheit, schon um immer genug Münzen parat zu haben…

    Man kann weiter gespannt sein, wie sich die Geschichte weiterentwickelt!
    Danke 🙂

    1. novels4utoo sagt:

      Danke Dir! Und ich bin gespannt wie Du das Ende siehst …

Kommentar verfassen

Entdecke mehr von novels4u.com

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen