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Life is too short for boring stories

Du liegst, hingegossen auf der Couch, anmutig wie die Venus von Willendorf, vielleicht ein wenig breitbeiniger, malerisch unterlegt vom Flackern des Bildschirmes und den unvermeidlichen akustischen Begleiterscheinungen eines Fußballspiels, kommentiert mit zarten Grunzgeräuschen. Mittlerweile kann ich sie unterscheiden, habe ich mich eingelebt in das männliche Verständigungsmuster, kann unterscheiden zwischen „Bring mir ein Bier!“ oder „Bring mir ein Bier!“.

 

Ich stehe in der Türe und lächle, denn ich trage wunderschöne Erinnerungen mit mir, wie Darmspiegelungen, Zahnarzttermine oder Elternsprechtage – und dann weiß ich, trotz Dir, gibt es ihn noch, den Himmel auf Erden.

Du liegst, hingegossen auf der Couch, anmutig wie die Venus von Willendorf, vielleicht ein wenig breitbeiniger, und das Grunzen hat sich in ein Schnarchen verwandelt. Du hast Dich verausgabt, damals, in Deiner Zeit Deines Werbens um mich, testosterongeschüttelt wie Du warst, schafftest Du es noch, Deine letzten mentalen Kräfte zusammen zu nehmen, ein paar wenige menschlich verständliche Worte zu artikulieren, doch dann, als die Couch da war und der Fernseher, dann musstest Du Dich erholen, von der intellektuellen Strapaze. Kurz dachte ich noch, es ginge so weiter, Du würdest mit mir reden, doch Du bist so süß mit Deinen großen, dummen Ochsenaugen, so dass ich noch nicht aufgab, weiter versuchte mit Dir zu sprechen, doch meine Worte verloren sich wie Wassertropfen in einer ausgedörrten Wüstenlandschaft.

 

Ich stehe in der Türe und lächle, denn morgen lasse ich das Schloss tauschen und Deine Koffer auf die Straße stellen – und dann weiß ich, trotz Dir, gibt es ihn noch, den Himmel auf Erden.

 

Du liegst, hingegossen auf der Couch, anmutig wie die Venus von Willendorf, vielleicht ein wenig breitbeiniger, und im Schlaf rinnt Dir der Speichel über die Wange. Du erinnerst mich an ein glupschäugiges Walross. Schloss ausgetauscht und Koffer vor der Türe, und Du wirst zu Deiner Freundin laufen, schnurstracks. Kurz habe ich überlegt ihr zu schreiben, doch sie hätte Dich dann vielleicht nicht mehr wollen, hätte Dich mir überlassen. Irgendwer hat immer das Bummerl. Ich gebe es gerne ab, nachdem ich es lange genug gehabt hatte, so lange, dass ich schon meinte, es gehörte so, doch von vorne kam die Erinnerung wieder, an Zeiten, da die Couch für uns beide war, einer Zeit, in der der Couchtisch nicht vollgepackt war mit leeren Bierdosen und Chipssackerln.

 

Zahnfleischentzündungen und eingewachsene Fußnägel und Nierenkoliken, fallen mir spontan ein – und dann weiß ich, trotz Dir, gibt es ihn noch, den Himmel auf Erden.

 

Du liegst, hingegossen auf der Couch, anmutig wie die Venus von Willendorf, vielleicht ein wenig breitbeiniger. Du bist die Suppe, die ich mir einbrockte – ich habe sie ausgelöffelt bis zum Erbrechen. Du bist der Zustand, in den ich mich bettete – und ich habe es ausgehalten, bis ich völlig wundgelegen war. Du trägst keine Schuld, denn ich habe verlangt, was Du nicht leisten konntest, wollte doch mehr als Glupschaugen und Grunzen und Schnarchen. Wie ich es auch nur wagen konnte, mehr als das zu erwarten? Ich strafe mich selbst.

 

Gleich morgen, wenn das Schloss ausgetauscht ist und Deine Koffer auf der Straße stehen, mache ich Urlaub in einer Leprakolonie oder in einem südafrikanischen Bergwerk oder in einem rumänischen Waisenhaus – und dann weiß ich, trotz Dir, gibt es ihn noch, den Himmel auf Erden.

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2 Gedanken zu “Der Himmel auf Erden

  1. Ich bin erschrocken! Ui, ui, wie ist sowas möglich? ich hab ihn immer noch, den Traum vom Verstehen von Mann und Frau, ist es möglich, dass er Wirklichkeit wird und der Himmel auf die Erde kommt? Oder nicht, was meinst Du? Was meint Ihr?

    1. novels4utoo sagt:

      Wenn es einmal so weit ist, wie es in der Geschichte geschildert wird, dann ist verdammt viel passiert. Natürlich ist es überzeichnet, aber es kommt der Wirklichkeit oft wirklich erschreckend nahe. Das Problem ist meist, dass solche Entwicklungen schleichend passieren. Oftmals bemerkt man sie gar nicht oder sie gehen unter den Anforderungen des Alltags unter. Dann steht man plötzlich da, eines Tages, und fragt sich, wie konnte es so weit kommen? Dann hat man zwei Möglichkeiten, man lernt daraus und ändert es. Aber oftmals ist es zum Aufarbeiten zu viel. Dazu kommt noch, dass Menschen sich verändern. Man entwickelt sich. Das kann aufeinander zu sein oder voneinander weg. Wenn man sich voneinander weg entwickelt hat, dann muss man auch den Mut haben sich das einzugestehen, denn dann gibt man sich die Chance, und zwar beiden, jemanden zu finden, der besser passt. Trennung bedeutet auch Freigeben zu neuen Möglichkeiten, und zwar beiden. Und gerade deshalb, glaube ich und weiß ich, dass es vielleicht nicht den Himmel auf Erden geben kann, aber etwas, das dem sehr nahe kommt. Es kann ein Verstehen geben und ein Miteinander, in einer Form, das beide wachsen und sich entfalten lässt.

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