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Life is too short for boring stories

Dieser Satz, der dann als „Bread and Roses“ Eingang fand in ein Gedicht von James Oppenheim, stammt aus einer Rede der New Yorker Gewerkschafterin Rose Schneidermann, die sie während eines Streiks der Textilarbeiter*innen hielt, der als der Lawrence-Streik in die Geschichte einging, als ein Beispiel für die Überwindung von tiefgreifenden Gräben, zwischen Rassen, Geschlechtern und sozialen Gruppen. In einer Situation, in der eine bekannte Ordnung gerade erst untergegangen war, aus der man Idealvorstellungen in die neue mitnahm, in der sie nicht mehr stimmig sind. Er steht aber auch für die Kraft der Solidarität und des Miteinander, das so viel bewegen kann. Im Laufe der Recherche zeigte sich, dass dieses sogenannte Frauenlied, das mittlerweile zur Internationalen Gewerkschafts- und Frauenbewegung gehört, erstmals vertont 1976 von Mimi Farina, nach wie vor als Aufruf und Mahnung dienen sollte sich nicht gegeneinander ausspielen zu lassen und das Eintreten für gemeinsame Ziele nur erreicht werden kann, wenn man miteinander an einem Strang zieht. Doch um das zu verstehen muss man um die Ereignisse wissen, die offiziell am 12. Januar 1912 in Lawrence, Massachusetts begannen und sich zu den symbolträchtigsten in der Geschichte der US-amerikanischen Arbeiterbewegung entwickelte.

Was war vor den Maschinen?

 

Wir haben uns daran gewöhnt, dass man, um einer Erwerbsarbeit nachzugehen, das Haus verlässt, eine Fabrik, ein Büro, ein Amt oder eine andere Institution aufsucht, um dort rund acht Stunden seines Tages zu verbringen, und dann wieder nach Hause geht. Auch wenn es mittlerweile nicht mehr unüblich ist die verschiedensten Tätigkeiten, die früher auswärts geschahen, zu Hause genauso gut erledigen zu können, oftmals unter dem Begriff „Home Office“ zusammengefasst. Dennoch denkt man bei geregelter Arbeit normalerweise an lohnabhängige Erwerbsarbeit außer Haus, denn sonst wäre es nicht zu erklären warum man sich genötigt fühlt den Nachbar*innen gegenüber rechtfertigen zu müssen warum das Auto an einem Dienstag um 10.00 Uhr vormittags noch vor dem Haus steht. Diese Trennung von Arbeits- und Lebenswelt ist uns so selbstverständlich, dass wir überzeugt sind, dass es immer so war und immer so sein wird. Die Vorstellungswelt des Menschen ist eben allzu oft durch seine eigene Lebenswirklichkeit begrenzt. Dabei war es genau umgekehrt. Der Großteil der Geschichte herrschte die geschlossene Hauswirtschaft vor, und tut es in vorwiegend agrarisch geprägten Gesellschaften immer noch, in der Produktions-, Konsumtions- und Lebensstätte ein und denselben Ort meinten. Das bedeutete aber auch eine gewisse Unabhängigkeit. Selbst sog. Kleinhäusler hatten in den meisten Fällen ein kleines Stück Land, das ihnen das Überleben durch den Anbau von Gemüse, Kartoffeln etc., ermöglichte. Knechte und Mägde waren eingebunden in den Familienverband, ebenso wie Lehrlinge und Gesellen im Haushalt des Meisters, für den sie arbeiteten. Landwirtschaftliche und handwerkliche Qualifizierung waren notwendig um Dinge zu produzieren. Die Gesellschaft war, bis zur sog. Industriellen Revolution, eine agrarisch geprägte. Wir sind es gewohnt diese mit der Erfindung des Fließbandes oder der Maschinen in Verbindung zu bringen bzw. diese als ihr hervorstechendes Merkmal zu sehen. Das alleine konnte es allerdings nicht gewesen sein, denn um genügend Arbeitskräfte für die neuentstehenden Produktionsverfahren freisetzen zu können, waren zwei andere Entwicklungen entscheidend. Einerseits kam es zur Modernisierung der Landwirtschaft, die nun weniger Arbeitskräfte bedurfte, bei gleichzeitiger Erhöhung der Erträge. Andererseits sank die Kindersterblichkeit signifikant.

 

Die Ersetzbarkeit des Menschen

 

Tausende Menschen strömten vom Land in die Städte auf der Suche nach Arbeit. Das Überangebot an Arbeitskräften drückte die Löhne, denn wenn es jemand ablehnte zu den gegebenen Bedingungen zu arbeiten, fand sich jemand anderer. Darüber hinaus wurden Frauen und Kinder schlechter bezahlt als Männer. Ebenso wie heute verdienten Frauen rund ein Drittel weniger, was die Männer dazu veranlasste sie als billige Schmutzkonkurrenz zu sehen, die ihnen die Arbeitsplätze streitig machten. Das ging sogar so weit, dass die Gewerkschaften es ablehnten ihre Interessen zu vertreten, und das war keinesfalls auf die konservativen Kräfte beschränkt, sondern war auch Credo innerhalb der proletarischen Kreise, denn das Idealbild der Frau war auch hier das der Hausfrau und Mutter, entgegen jeglicher ökonomischen Notwendigkeit und Vernunft, denn eine Arbeiterfamilie konnte nur überleben, wenn jeder, der arbeiten konnte, das auch tat. Ideal und Wirklichkeit klafften immer weiter auseinander. 1912 ebenso wie 2012. War die Arbeiterin darüber hinaus auch noch Immigrantin, traf sie auf weitere Diskriminierung. 1912 ebenso wie 2012.

Aus: Weibliche Ohn-machten


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