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Life is too short for boring stories

Nyx findet nicht zur Ruhe in dieser Nacht. Sie sieht sich in ihrem Traum einem Unbekannten gegenüber, der sie anspricht als jemand anderen. Auch hier noch leugnet sie, doch dann kommt er auf sie zu, greift an ihren Hals und zieht ihr die Maske vom Gesicht, und unter dieser Maske kommt die zum Vorschein, die er suchte. Immer war sie es gewesen, und nicht einmal sie selbst wusste davon. Oder doch nicht? Denn eine Sekunde später ist wieder ihr eigenes Gesicht dort, wo es hingehört. Eine Verirrung der Sinne? Nichts als Lug und Trug? Wer ist sie? Sie hat sich verloren? Oder war sie nie die gewesen von der sie glaubte, dass sie es ist? Oder hat sich der Gedanke bereits schon so festgesetzt, dass sie selbst wankt?

Sie entflieht dem Traum und der Nacht. Während der nächsten Tage kommen immer und immer wieder dieselben Nachrichten. Sie solle es doch endlich zugeben, dass sie seine Geliebte wäre. Sie bräuchte sich nicht länger zu verstecken, und sie wiederholt immer und immer wieder, dass sie es nicht könne, weil sie es nicht sei. Warum sie den Kontakt nicht einfach abgebrochen hat, obwohl er sie so zermürbt?

Zweierlei sprach dafür noch nicht aufzugeben. Zum einen war es die Neugierde. Ob er sie wohl noch finden würde? Eine wunderbare Geschichte mit einem Happy End bahnte sich in ihrem Kopf an. Vielleicht konnte sie auch einen bescheidenen Beitrag dazu leisten, dass sie sich fänden, dass sie, die Unbekannte durch ihre Korrespondenz aufmerksam würde. Endlich würde sie erkennen wie groß und echt seine Liebe wäre, würde sich melden und alles wäre gut. Zum anderen lag es wohl an den nach wie vor intensiven, überlegten und inspirierenden Kommentaren, die er noch immer schrieb, jenseits jener Verwechslung, die ihr schon einige gute Ideen beschert hatten. Darauf wollte sie nicht verzichten.

Tag für Tag, fast ein Monat lang wiederholte sie nun die Geschichte ihrer Existenz – ihr Eigen-Sein verteidigend gegen eine so unbezwingbare Mauer der Gewissheit. Wenn sie es leugnete, wusste er sofort warum sie leugnete. Es war ein Vorwand, dass ihn noch mehr zu bestätigen schien. Bis sie eines Tages den Einfall hatte ihm ein Bild zu schicken. Da konnte es keine Missverständnisse mehr geben, doch was konnte man schon sicher sein bei jemanden, der es bewerkstelligte jeden Einwand zu entkräften, jede Gegendarstellung zu torpedieren. Doch das Foto, das zeigte endlich die erwünschte Wirkung.

„Du hast mich die ganzen Wochen an der Nase herumgeführt, hast Dich für jemanden ausgegeben, der Du nicht bist, hast mit meinen Gefühlen und meiner Sehnsucht Katz und Maus gespielt. Du bist das Allerletzte!“

Das war seine Reaktion. Dennoch ließ sich Nyx nicht aus der Ruhe bringen. Endlich hatte er es verstanden.

„Ich habe nie behauptet sie zu sein. Immer wieder habe ich es Dir gesagt, dass ich nicht die bin, für die Du mich hältst, doch jetzt glaubst Du es endlich.“

Es schien dennoch ein Schlusspunkt zu sein, doch nein, er schaffte es denselben zu setzen:

„Gerade indem Du leugnetest suggeriertest Du mir das Gegenteil, zogst mich tiefer und tiefer in Deine Klauen, Du Sirene, Du Hyäne. Aber Du konntest doch nicht glauben, dass ich ewig auf Deine Lügen hereinfalle. Ich habe Dich nun durchschaut, und ich werde die ganze Welt vor Dir warnen!“

Nyx saß am Steg, auch an diesem Abend und verstand die Welt nicht mehr. Aber vielleicht sollte sie es auch aufgeben sie verstehen zu wollen.

Lesestoff für Liebhaber*innen von Mystischem und Skurrilem

Schattenraben

Anonym

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