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Life is too short for boring stories

Bedächtig ließ sie den Cognac im Schwenker kreisen. Bloß um hinschauen zu können, während sie angestrengt darüber nachdachte was sie denn bezweckt hatte, als sie hierherkam, in diese Bar. Wie lange war es wohl her, dass sie so etwas das letzte Mal getan hatte? So etwas, wie den Laptop zuklappen, weil sie plötzlich das Bedürfnis verspürte hinauszugehen und was zu erleben, denn das gab es nur dort Draußen. Doch was um konnte das sein?

Offenbar hatte sie sich die Frage nicht gestellt. Es ist leicht ihr aus dem Weg zu gehen, indem man sich auf anderes konzentriert, es vorschiebt. Als sie endlich mit ihrem Äußeren zufrieden war, verließ sie beschwingt das vertraute, sichere Terrain ihrer Wohnung und schlug den Weg direkt zu der Bar ein, die sie früher so gerne besucht hatte. Wie lange war das nochmals her? Vier Jahre? Oder fünf? Je näher sie ihrem Ziel kam, desto langsamer ging sie, bis sie endlich vor der Türe stehenblieb. Am liebsten wäre sie wieder umgedreht, um sich einzuigeln. Wie sah denn das aus, eine Frau alleine in einer Bar? Unwillkürlich dachte sie an ihre Mutter, die das nie und nimmer gebilligt hätte.

„So was tut eine anständige Frau nicht“, hätte sie gesagt, oder so etwas in der Art. Da merkte sie wie sehr sie die Stimme ihrer Mutter noch zu beeinflussen vermochte, selbst die aus ihrer Erinnerung.

„Jetzt erst recht!“, sagte sie sich deshalb, straffte ihren Körper und betrat das Lokal, so viel Selbstsicherheit ausstrahlend, wie es ihr nur irgend möglich war. Kurz huschte ihr Blick durch den Raum.

„Nicht viel los“, dachte sie, bevor ihr einfiel, dass es wohl mitten unter der Woche war. Endlich konnte sie sich auf einem Barhocker niederlassen. Seitdem saß sie da, der Bewegung des Cognacs im Schwenker beobachtend. Was wollte sie nun tun? Austrinken, zahlen und nach Hause schleichen? Sich damit abfinden, dass das eben eine blöde Idee war? Denn es war wirklich eine blöde Idee gewesen, rauszugehen ohne sich irgendetwas zu überlegen. Als wenn sie nicht schon alles gesehen und erlebt hatte. Zumindest genug um sicher zu sein, dass es keine Überraschungen, keine Abenteuer mehr gibt. Im Filmen oder Romanen vielleicht, aber das hier war das Leben, das echte, reale Leben. Aber käme es nicht einem Eingeständnis versagt zu haben gleich, wenn sie jetzt wieder ginge? Sie wollte nicht versagen, nicht bevor sie alles probiert hatte. Was auch immer das bedeuten mochten. Es begann auf jeden Fall damit, dass sie das Glas losließ, sich ihr Lächeln zurückholte und mit dem Barhocker drehend umwandte, so dass sie den Blick durch den Raum schweifen lassen konnte.

In einer Ecke entdeckte sie ein Pärchen, engumschlungen, ineinander vertieft, als würde die Welt um sie nicht existieren. Zwei Tische weiter saßen vier Frauen, die angeregt plauderten. Dennoch war sie überzeugt, dass auch jene sich den Abend anders vorgestellt hatten. Ebenso wie die Männerpartie, die nicht weit davon entfernt stand. Der Klavierspieler entlockte seinem Instrument seufzende Melodien. Leicht glitt ihr Blick darüber hinweg, doch dann, mit einem Mal hielt er unvermittelt inne.

„Was für ein knackiger Hintern!“, dachte sie unwillkürlich, „Wie der sich wohl ohne Stoff anfühlt?“ Erschrocken über ihre eigenen Gedanken oder darüber, dass sich der Mann plötzlich zu ihr umwandte, ganz genau vermochte sie das nicht zu sagen, fand sie ihren Blick aufgefangen. Strahlend blaue Augen sahen sie unverhohlen an, so strahlend wie sein Lächeln. Sie stellte fest, dass sie dieses Lächeln erwiderte, und es war echt. Die Gedanken entglitten ihr, als gäbe es nichts mehr zu überlegen. Federnden Schrittes kam er auf sie zu. Er strahlte jene Selbstsicherheit aus, die ein Mann an sich trägt, der genau weiß was er will. Und das war sie.

Ihre Hand in der seinen ging er zielstrebig auf die Tanzfläche, zog sie an sich und legte seinen Arm um sie. Sie ließ es geschehen. Und während er sie gekonnt führte, sie sich von der Melodie tragen ließen, hatte sie endlich eine Antwort auf die Frage gefunden warum sie hier war. Aber da war keine Frage mehr.

Aus: Geschichten über die Liebe und andere Absonderlichkeiten


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2 Gedanken zu “Einlassen

  1. hanshartel sagt:

    toller Beginn

    könnte sogar zum Bananebuch passen …

    1. novels4utoo sagt:

      Danke! Ein guter Gedanke … Für die, die es nicht kennen “Die Banane schält sich nicht alleine” von Steven Saska & Shayla O’Shea

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